Staatliche Ermittler überwachen die Online-Kommunikation immer stärker. So hat sich im vergangenen Jahr die Zahl der abgehörten Internet-Rufnummern (Voice over IP) mehr als verdreifacht: In 141 Fällen schnitten die Behörden mit. Auch auf E-Mail-Konten und komplette Internetzugänge griffen die Ermittler deutlich häufiger zu als im Vorjahr – mit Steigerungsraten von 45 und 57 Prozent. Darauf hat der Hightech-Verband BITKOM in Berlin hingewiesen. Grundlage der Angaben sind neue Zahlen der Bundesnetzagentur. „Das Internet entwickelt sich derzeit zu einem festen Ziel von Ermittlungen“, analysiert Prof. Dieter Kempf vom BITKOM-Präsidium. „Der Staat orientiert sich offensichtlich neu, hin auf moderne Kommunikationsformen.“
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 46.486 Rufnummern, E-Mail-Adressen und Internetzugänge neu überwacht. Das ist eine Steigerung um elf Prozent gegenüber 2006. Damals nahmen die Ermittler 41.985 Kennungen unter die Lupe, die Verlängerungen bereits bestehender Überwachungen nicht eingerechnet. Die weitaus meisten Zugriffe gelten nach wie vor Mobiltelefonen. So stieg die Zahl der überwachten Handys 2007 um neun Prozent auf 39.200. Die Zahl der abgehörten Festnetz-Nummern liegt mit 5.078 knapp unter dem Niveau von 2006.
Netzbetreiber und Internet-Provider sind gesetzlich zur Kooperation mit den Ermittlern verpflichtet. BITKOM-Präsidiumsmitglied Kempf erinnert die Bundesregierung an ein vier Jahre altes Versprechen, den Unternehmen die Kosten dafür zu erstatten. „Die Anbieter haben Millionen in teure Spezialtechnik und Personal investiert – und sind bisher auf ihren Ausgaben sitzen geblieben.“ Allein für die seit diesem Jahr geltende Vorratsdatenspeicherung müssen die Netzbetreiber bis zu 75 Millionen Euro in Technik investieren. Hinzu kommen jährliche Betriebskosten in zweistelliger Millionen-Höhe. „Der Gesetzentwurf für eine Entschädigung muss jetzt mit dem gleichen Elan in Kraft gesetzt werden wie im letzten Jahr die Vorratsdatenspeicherung“, fordert Kempf. Die Bundesregierung dürfe sich nicht länger ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht entziehen, den Unternehmen ihre immensen Investitionskosten zu ersetzen. „Innere Sicherheit ist eine originäre Staatsaufgabe, die nicht die Wirtschaft finanzieren kann – schließlich sind auch nicht die Autohersteller verpflichtet, kostenlose Streifenwagen zu liefern.“
Kempf rief angesichts der steigenden Zahlen dazu auf, die Überwachung von Telefon und Internet maßvoll einzusetzen: „Eine Abhör-Aktion sollte das letzte Mittel sein, wenn sich schwere Straftaten nicht anders verhindern oder aufklären lassen.“ Auch mit Blick auf die geplante Online-Durchsuchung von Computern sagte Kempf: „Es muss sicher gestellt sein, dass man mit der Überwachung die Richtigen trifft: Schwerst-kriminelle und Mitglieder terroristischer Vereinigungen.“ Mehr Überwachungen an sich bedeuteten nicht automatisch mehr Sicherheit.